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Gesundheitsfragen bei Berufsunfähigkeit: Verschweigen von ADHS und Alkoholmissbrauch bei Abschluss der Berufsunfähigkeitsversicherung


Gekreuzte Finger
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Aktuelle BU-Entscheidung des OLG Dresden zugunsten des Berufsunfähigkeitsversicherers


Die Nichtangabe von Vorerkrankungen bei Abschluss der Berufsunfähigkeitsversicherung durch den Vater des Versicherungsnehmers kann arglistige Täuschung sein und die Berufsunfähigkeitsversicherung zur Anfechtung berechtigen.


Mit Beschluss vom 28. Januar 2025 (Aktenzeichen: 4 U 1361/24) hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden festgestellt, dass der Anspruch auf Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung erlöschen kann, wenn der Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherungsdienstleister Vorerkrankungen wie ADHS, Alkoholmissbrauch, Drogenkonsum und psychiatrische Behandlungen verschweigt.

 

Dies gilt auch dann, wenn die obligatorischen Gesundheitsfragen durch eine andere Person, die maßgeblich am Vertragsabschluss mitgewirkt hat, wissentlich falsch beantwortet wurden. Die Richter bestätigten damit im Berufungsverfahren das vorherige Urteil des Landgerichts Leipzig vom 12.09.2024.

 

Fazit


Der Sohn ist schon länger krank. Es kommt immer noch was Neues dazu. Verständlicherweise macht sich der Vater Sorgen und will den Sohnemann finanziell absichern und denkt an den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Im nachfolgenden Fall war das aber leider zu spät, denn die Versicherung hätte er bei wahrheitsgemäßer Angabe der Erkrankungen nicht abschließen können. Die Prämien wurden also in den Sand gesetzt.

 

Dies bedeutet im Umkehrschluss: Möglichst früh eine BU-Versicherung abschließen, bevor das Leben mit Erkrankungen und Verletzungen zuschlägt und natürlich gilt wie immer: Wahrheitsgemäße Angaben machen und sich im Zweifel nicht auf die Beratung des Versicherungsvertreters verlassen.


Der Berufsunfähigkeits-Streitfall im Detail


Hintergrund


Im Jahr 2017 schloss der klagende Versicherungsnehmer bei der beklagten Versicherungsgesellschaft eine Berufsunfähigkeitsversicherung ab. Der Vater des kurz zuvor volljährig gewordenen Klägers ließ sich von einem Versicherungsvertreter der Beklagten beraten. In der Folge beantwortete er für seinen Sohn, der die Dokumente unterzeichnete, die für den Vertragsabschluss obligatorischen Gesundheitsfragen. Einzelheiten zu diesem Gespräch waren streitig, insbesondere welche Fragen der Versicherungsvertreter der Beklagten gestellt hatte und was der Vater des Klägers geantwortet hatte.

 

Im Jahr 2022 beantragte der Versicherte Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung und nannte als Gründe eine psychotische Erkrankung sowie Entgiftungskuren. Daraufhin stellte das Versicherungsunternehmen Nachforschungen an, wodurch es von den verschwiegenen Vorerkrankungen Kenntnis erlangte. Unter anderem teilte eine vormalige Kinderärztin des Klägers mit, dass dieser seit seiner Einschulung bis ins Jahr 2017 wegen ADHS mit Ritalin behandelt worden war.

 

Die Versicherungsgesellschaft verweigerte dem Versicherten daraufhin die vertraglich zugesicherten Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung und berief sich auf arglistige Täuschung aufgrund der falsch beantworteten Gesundheitsfragen. Eine gegen die Entscheidung des Versicherungsunternehmens gerichtete Klage wies das Landgericht Leipzig mit Urteil vom 12.09.2024 ab. Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner Berufung zum Oberlandesgericht.

  

OLG Dresden: Handeln des Vaters des Klägers beim Abschluss der Berufsunfähigkeitsversicherung ist als arglistige Täuschung zu werten und dem Kläger zuzurechnen


Mit Beschluss vom 28. Januar 2025 teilte der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden mit, dass er beabsichtigte, die Berufung des Klägers ohne dessen vorherige mündliche Anhörung zu verwerfen. Der Senat riet dem klagenden Versicherungsnehmer, das in der Sache aussichtslose Rechtsmittel zurückzunehmen, um Gerichtskosten zu vermeiden.

 

Die Richter sahen keine Anhaltspunkte dafür, an der Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen des Landgerichts zu zweifeln. Die Beweiswürdigung der Vorinstanz sei nicht zu beanstanden, insbesondere in Bezug auf die Glaubwürdigkeitsbeurteilungen der Zeugen. Das Landgericht kam nach Zeugenvernehmung nämlich bereits zu dem Ergebnis, dass der Vater die jahrelange ADHS-Erkrankung des Klägers, dessen Ritalin-Therapie sowie eine stationäre Behandlung wegen Alkoholmissbrauchs im Jahr 2016 verschwiegen hatte.

 

Der Senat bestätigte jetzt die Auffassung des Landgerichts, dass das Antwortverhalten des Vaters des Klägers als arglistig zu werten sei. Der Umstand, dass er relevante Vorerkrankungen wie ADHS, eine Ritalin-Medikation und eine Alkoholproblematik des klagenden Sohnes verheimlicht hatte, sei nicht als Banalität zu betrachten. Vielmehr sahen die Richter die Schwere der Erkrankungen und die zeitliche Nähe zum Versicherungsantrag als Indizien für eine arglistige Täuschung

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Zudem stellte der Senat fest, dass die Täuschungshandlung des Vaters dem Kläger zuzurechnen ist. Im vorliegenden Fall sei dieser nicht als unbeteiligter Dritter im Sinne des § 123 Absatz 2 BGB anzusehen, weil er maßgeblich am Abschluss des Versicherungsvertrags mitgewirkt hatte.

 

Verweigerung der Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung ist rechtens


Das Oberlandesgericht entschied durch seinen Beschluss, dass das beklagte Versicherungsunternehmen den Vertrag wegen einer dem Kläger zuzurechnenden arglistigen Täuschung wirksam angefochten hat.

 

Weil der maßgeblich am Vertragsabschluss beteiligte Vater die schwerwiegenden Vorerkrankungen des Sohnes, namentlich eine jahrelang medikamentös behandelte ADHS-Erkrankung sowie eine Alkoholproblematik, verschwiegen hatte, besteht kein Leistungsanspruch des klagenden Versicherungsnehmers und kein Anspruch auf Feststellung, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung fortbesteht.